Gefühle in der AHB

Stell dir vor oder vielleicht hast du es selbst so erlebt: 

Du bist in der AHB. Es geht dir gut und die Menschen um dich herum sind super nett und positiv gestimmt. Die meisten haben ihre Krebstherapie hinter sich, mehr oder weniger gut gemeistert und blicken nach vorn. Jede ist froh, dass die kräftezehrende und zermürbende Therapie vorbei ist. Dann setzt sich beim Mittagessen eine Frau an deinen Tisch und teilt allen am Tisch sitzenden Frauen (ohne gefragt worden zu sein) als allererstes mit, dass es ihr nicht gut ginge und sie nach nur kurzer Zeit einen Rückfall und erneut Brustkrebs und Metastasen habe. 

Was fühlst du? Macht dir das Angst? Fühlst du mit der Frau? Wie gehst du damit um?

Die Geschichte hat sich so tatsächlich ereignet als ich vor gut 10 Jahren zu meiner AHB war. Und ich glaube, sie passiert so immer wieder. Und vielleicht hast du selbst Ähnliches erlebt?

Damals blieb mir vor Schrecken fast das Mittagessen im Hals stecken. Meiner anderen Tischnachbarin, mit der ich mich angefreundet hatte, ebenso. Wir schauten uns gegenseitig mit großen Augen an und verließen unter dem Vorwand anstehender Behandlungstermine vorzeitig den Tisch. Ich konnte es einfach nicht ertragen, wollte das nicht hören.

Unsere Gefühle, unsere psychischen Ressourcen waren noch sehr fragil. Sie drohten bei der kleinsten Erschütterung wie ein Kartenhaus in sich zusammen zu fallen. 

Mich hat das damals tagelang beschäftigt und ich konnte kaum schlafen. Ich habe mir in meinem Kopfkino vorgestellt, dass ich das bin - mit dem Rezidiv und den Metastasen. Es hat eine Weile gebraucht, bis ich mich einigermaßen gefangen hatte und nicht ständig daran denken musste. Warum musste diese Frau uns erzählen, dass es ihr nicht gut ging? Ich war aufgewühlt. 

Im Nachhinein tut mir die Frau mit dem Rezidiv Leid, ich fühle mit ihr. Sie hatte einfach das Bedürfnis, sich mitzuteilen. Uns zu erzählen, warum sie in der Reha Klinik war und was passiert war. Vielleicht suchte sie Unterstützung, mutmachende Worte. Ich verstehe das.

Leider waren wir Frauen, die da in der Klinik beim Mittagessen saßen, mich eingeschlossen, nicht in der Lage, damit umzugehen. Über Rezidive wollten wir nichts hören. Ich mied das Thema wie der Teufel das Weihwasser. Obwohl es für einige Frauen leider Realität ist und ich zugeben muss, dass es die Möglichkeit gibt, wieder daran zu erkranken.

Erst später - viel später, Jahre danach, habe ich für mich einen Weg gefunden, mich abzugrenzen. Damit es mich vor Angst nicht verrückt machte, habe ich mir immer wieder gesagt, dass all die traurigen (Rück-)Fälle von Frauen mit Brustkrebs nicht meine Geschichte ist. Ich kenne weder die Art des Krebses (die ja bekanntermaßen immer individuell ist), weder die Behandlung, weder Vorerkrankungen oder andere Risikofaktoren der Betroffenen und niemand weiß, wem und warum so etwas passiert.

Das hört sich hart und vielleicht auch gemein an, ich weiß. Aber es ist Selbstschutz. 

Du wirst immer wieder auf Frauen treffen oder zumindest von ihnen hören, denen es nicht gut geht und einen Rückfall erlitten haben. Lass dich nicht beunruhigen. Das hat nichts mit dir zu tun.

Ich kann dir einen Tipp geben, was du dir in solchen Momenten sagen kannst. Im Englischen hört sich das besser an: Observe - don´t absorb. Also sinngemäß: beobachte, nehme es wahr, aber nehme es nicht in dir auf, vereinnahme es nicht und mache es nicht zu Deinem.

Mir hilft das. Was hilft dir, besser mit Rückschlägen anderer Frauen umzugehen?
 

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